Dienst ist Dienst und Hund ist Hund – das war einmal. Der Wandel der Arbeitswelt ermöglicht es Mensch und Hund, zunehmend auch den Berufsalltag gemeinsam zu verbringen. Doch es gibt einiges zu beachten, damit aus dem tierfreundlichen Arbeitsplatz kein Hundezirkus wird – auch und gerade im Homeoffice.
Diana Runge | 15. Juli 2023
Vom Jagen und Sammeln über Landbau und industrielle Revolution bis hin zu Dienstleistungsgesellschaft und Homeoffice: Die Welt der Arbeit hat sich weiterentwickelt und dabei insbesondere in den vergangenen zwanzig Jahren einen erheblichen Wandel erlebt. Eng damit verknüpft wandelte sich auch die Rolle des Hundes: Aus dem wild lebenden Raubtier wurde zunächst der Arbeits- und Gebrauchshund, der sich sein Futter verdienen musste. Heute werden nur noch die wenigsten Hunde als Arbeitstiere gehalten. Stattdessen sind Bello, Waldi und Co. für die meisten Hundehaltenden nicht nur bester Freund, sondern ein vollwertiges Familienmitglied mit Anspruch auf den schönsten Platz auf dem Sofa.
Wenn der Mensch zur Arbeit geht, bleibt der Hund nicht gern allein daheim
Eines hat sich allerdings nicht geändert: Hunde sind soziale Wesen, die Beschäftigung brauchen und nicht gern allein sind. Herzzerreißendes Hundeheulen, wenn der Mensch das Haus verlässt, hat schon vielen Frauchen und Herrchen den morgendlichen Start in den Arbeitstag erschwert. Viele Hunde, die tagsüber allein gelassen werden, sind traurig, gestresst und langweilen sich. Stundenlanges Bellen und Winseln sind die Folge und sorgen nicht selten für Ärger in der Nachbarschaft. Zur Selbstbeschäftigung werden Möbel zerkaut und Kissen zerrissen – was bei allen Beteiligten die Freude an der Heimkehr nach Feierabend erheblich mindern kann. Dabei liegt die Lösung doch so nahe: Der Hund kommt mit zur Arbeit!
Nicht alle Berufe kommen dafür gleichermaßen gut in Frage. In der Schafzucht, der Sicherheitsbranche oder im Jagdbetrieb kommt es auf die richtige Ausbildung an – beim Hund wie beim Menschen. Im Handwerk, in der Fabrik, in Restaurants oder auf Baustellen ist die Anwesenheit eines Fellträgers aus Sicherheits- oder Hygienegründen oft nicht möglich. Guten Chancen haben hingegen diejenigen, die einer Schreibtischtätigkeit nachgehen: Platz für das Hundekörbchen ist auch im kleinsten Büro. Und schließlich bringt die Anwesenheit eines Vierbeiners am Arbeitsplatz auch etliche Vorteile mit sich.
Hund im Büro macht alle froh
Wissenschaftliche Studien belegen: Hundehaltende, die ihren Hund mit zur Arbeit bringen dürfen, sind stressresistenter und zufriedener mit ihrem Job. Davon profitiert auch der Rest der Belegschaft. Ein Hund im Büro sorgt für Entspannung und eine angenehme Atmosphäre. Das Streicheln und Spielen mit den Vierbeinern kann den Stresspegel senken, die Produktivität erhöhen und die Stimmung verbessern. Hunde fördern die Kommunikation zwischen Menschen, erhöhen die Interaktion im Team und stärken das soziale Miteinander. Spaziergänge mit dem Hund in der Mittagspause oder kurze Spiele zwischendurch bringen Bewegung in den Alltag. Und ein Blick aus treuen Hundeaugen zaubert ein Lächeln auf viele Gesichter.
Bei so viel positiven Effekten ist es wenig verwunderlich, dass Personalberatungen Unternehmen sogar empfehlen, sich im Rahmen des Employer Brandings bewusst als hundefreundliches Büro zu positionieren. In der Tat kann doch niemand etwas dagegen haben, wenn der Vierbeiner mit zur Arbeit kommt. Oder doch?
Vorsorge treffen, damit der Bürohund nicht zum haarigen Problem wird
In der Realität sieht die Sache etwas komplizierter aus. Auch wenn es aus Sicht von Hundeliebhaber*innen fast unvorstellbar ist, so ist doch nicht jeder Mensch begeistert von der Anwesenheit flauschiger Fellnasen am Arbeitsplatz. Bevor Kollege Vierpfote sich also auf ins Büro macht, müssen erstmal die Vorgesetzten zustimmen. Alle anderen Kolleg*innen sollten zumindest informiert werden, bevor ihnen das Hundekörbchen vor die Nase gesetzt wird. Tierhaarallergien bei Mitarbeitenden können ein handfester Grund sein, die Bürotür vor dem Haustier zu verschließen. Auch wenn Menschen Angst vor Hunden haben oder sie einfach grundsätzlich nicht tagtäglich um sich haben möchten, muss das respektiert werden.
Das heißt nicht automatisch, dass Hunde draußen bleiben müssen, aber es kann Regeln erforderlich machen. Zum Beispiel können Gemeinschaftsräume zur hundefreien Zone erklärt werden. Ein Schild an der Eingangstür kann Kund*innen und Lieferunternehmen darauf vorbereiten, dass sie beim Eintreten möglicherweise mit freudigem Gebell empfangen werden. Darüber hinaus gilt es weitere Fragen zu klären, wie zum Beispiel: Wie können Störungen ausgeschlossen werden? Wer haftet bei Schäden? Was passiert, wenn der Mensch im Meeting ist, der Hund aber Gassi muss? Wieviele Vierbeiner verträgt das Büro, und was geschieht, wenn mehrere Mitarbeitende ihre Tiere mitbringen möchten?
Homeoffice mit Hund bleibt ein Trend auch nach der Pandemie
Es gibt allerdings einen Arbeitsort, an dem viele dieser Vorbehalte gar nicht erst zum Tragen kommen: das Homeoffice. Während der Corona-Pandemie bekamen viele Hundebesitzende zum ersten Mal überhaupt die Gelegenheit, den ganzen Tag mit dem geliebten Tier verbringen zu können. Für viele Hunde und ihre Menschen war die Situation zunächst durchaus gewöhnungsbedürftig. Lautes Bellen in der Videokonferenz, die ständige Gefahr der Ablenkung und der Bruch gewohnter Routinen bildeten nicht nur für Menschen, sondern auch für Hunde – die sprichwörtlichen Gewohnheitstiere – einige Herausforderungen. Mit der Zeit, Geduld und Training sowie ein paar Leckerlies ließen sich diese durchaus überwinden – ein Prozess, der nach Abklingen der Pandemie und der Rückkehr vieler Arbeitnehmer*innen ins Büro zumindest teilweise wieder umgekehrt werden muss. Dennoch bevorzugen viele Büroangestellte weiterhin das Homeoffice, da sie nicht erneut jeden Tag stundenlang von ihren Hunden getrennt sein wollen. Dies trägt wiederum dazu bei, dass immer mehr Unternehmen zumindest teilweise das Arbeiten von zu Hause ermöglichen und die Zahl der haustierfreundlichen Arbeitsplätze zunimmt.
Für viele Menschen ist es dank des Homeoffices überhaupt erst möglich geworden, einen Hund zu halten. Dazu gehört die Autorin dieser Zeilen, die es aufgrund langer Bürotage und vielfacher Abwesenheit vormals keinem Tier antun wollte, den ganzen Tag allein in der Wohnung ausharren zu müssen. Bei der Arbeit in die eigenen vier Wände ist nicht nur sichergestellt, dass das Tier tagsüber Gesellschaft hat, sondern auch, dass Streicheleinheiten, Spielsessions und Spaziergänge gut über den Tag verteilt werden können.
Sozialkontakt und Zeitmanager: Der Hund wird zum Arbeitstier mit speziellen Aufgaben
Positiv für den Heimarbeitenden: Der Hund hilft dabei, die „Einsamkeit des Homeoffice“ zu überwinden. Er wird zum Arbeitstier und übernimmt viele Funktionen, die im klassischen Büroalltag durch die Kolleg*innen abgedeckt werden. Das Treffen in der Büroküche wird durch die Kuschelpause auf der Couch ersetzt. Statt im Konferenzraum gemeinsam mit Ideen zu spielen, spielen Mensch und Hund gemeinsam mit dem Ball – was die Kreativität mindestens genauso gut fließen lässt. Viele gute Gedanken entstehen beim Laufen: mit dem Hund an der Leine eine Runde um den Block hat noch jede Schreibblockade gelöst. Steife Kundemeetings über Videokonferenz können durch das Auftauchen eines Hundes im Hintergrund deutlich gelockert werden. Und wer sich im Homeoffice etwas von der Seele reden möchte, braucht nicht in die Personalabteilung, sondern kann Ärger und Sorgen beim Vierbeiner abladen. Der versteht nicht nur alles und ist immer auf der Seite seines Menschen, er leistet auch keine Widerworte und ist zudem einhundertprozentig verschwiegen. Apropos Personalabteilung: Der Hund achtet strikt auf die Einhaltung der Arbeitszeiten. Schließlich ist Feierabend gleich Gassi gehen, und in dem Punkt ist der Hund weniger kompromissbereit als jede Gewerkschaft.
Was nicht heißen soll, dass es nicht auch Nachteile gibt. Je nach Hunderasse und Alter braucht ein Fellnase mal mehr, mal weniger Aufmerksamkeit. Auch wenn der Hund die Produktivität fördert, ist Zeit mit dem Tier nicht automatisch Arbeitszeit. Drohende Deadlines müssen selbst angesichts bittend blickender Hundeaugen gehalten werden. Und manchmal fällt die Konzentration schwer, wenn das Fellknäuel unter dem Schreibtisch vor sich hin schnarcht oder entscheidet, dass ein Kundenmeeting per Video ein guter Zeitpunkt ist, um liebevoll und ausgiebig den menschlichen Fuß abzulecken.
Tierisch viele Vorteile und eine große Verantwortung
Von A wie Arbeitsatmosphäre bis Z wie Zeitmanagement hat die hündische Gesellschaft im Büro jede Menge Vorteile. Dies gilt vor allem dann, wenn der Arbeitsplatz – sei es im Büro, sei es Zuhause – so organisiert und eingerichtet ist, dass sich nicht nur der Mensch, sondern auch das Tier wohl fühlt. Im Büro hilft manchmal ein Schnuppertag, um aus kritischen Kolleg*innen wohlmeinende Tierfreunde zu machen. Im Homeoffice helfen Hundespielzeuge und Routinen dabei, dass Mensch und Tier sich nicht ständig gegenseitig ablenken. Wichtig in jedem Fall: Auch wenn die individuelle Arbeitssituation heute der Vereinbarkeit von Beruf und Tier zuträglich ist, können sich die Dinge schnell ändern. Dies kann bei einem Jobwechsel der Fall sein, oder wenn ein Unternehmen die Mitarbeitenden doch wieder dauerhaft aus dem Homeoffice zurückholt. Verliert der Vierbeiner seine Zutrittsberechtigung zum Arbeitsplatz, dann liegt es in der Verantwortung des Menschen sicherzustellen, dass er mit der Veränderung zurechtkommt und nicht von einem auf den anderen Tag sich selbst überlassen wird. Denn Hundehaltung ist ein Job, der keinen Feierabend kennt.
Im Übrigen gelten alle vorherigen Aussagen so oder so ähnlich auch für Katzen. Und was passiert, wenn Hund und Katze im Büro aufeinander treffen… nun, das wäre wohl einen eigenen Blogpost wert.
-----
Foto von
Pavel Herceg auf
Unsplash
© 2024 Diana Runge