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From Hero to Zero. Wie die südafrikanische Regierung ihren Vorsprung in der Corona-Krise verspielt.

Diana Runge | 22. Mai  2020

Acht Wochen und keine Ende in Sicht. Trotz erster Lockerungen gehört die Ausgangssperre, die die südafrikanische Regierung ab dem 27. März zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie verhängt hat, weiterhin zu den härtesten weltweit. Doch es liegt nicht allein an der Härte und Dauer der Einschränkungen, dass die anfängliche breite Zustimmung für den Lockdown über alle Bevölkerungsschichten hinweg mittlerweile spürbar abgenommen hat. Es liegt auch an der immer konfuser und widersprüchlicher werdenden Kommunikation der Regierung.


Die anfängliche Krisenkommunikation war wie aus dem Lehrbuch. Mittlerweile dominieren Widersprüche und Eigeninteressen das Bild.


In den ersten Wochen der Pandemie konnte Präsident Cyril Ramaphosa mit seinem entschlossenem Auftreten sowie seinen klaren und besonnenen Worten die Nation noch hinter sich vereinen. Mittlerweile überlässt er die Kommunikation seinen Ministern, die sich im widersprüchlichen Klein-Klein des Regulierungswahnsinns verstricken und dabei ihre eigene Agenda zu verfolgen scheinen.


Während der Präsident dem Volk für die Einhaltung der Lockdown-Regeln dankt, droht Polizeiminister Bheki Cele damit, härtere Strafen für Übertretungen einzuführen. Cele’s wegwerfende Reaktion auf Vorwürfe von Polizeibrutalität bei der Durchsetzung des Lockdown in den Townships („Wartet nur, bis ihr wirkliche Härte zu sehen bekommt“) rief Entsetzen hervor. Seine Aussage, das hoch umstrittene Verkaufsverbot für Alkohol auch nach dem Lockdown aufrechterhalten zu wollen, verleitet zur Annahme, dass es dem Minister wohl vor allem um persönliche Ziele ginge.


Weiter aufgeheizt wurde die Debatte um den möglichen Missbrauch der Ausnahmesituation durch Nkosazana Dlamini-Zuma, Ministerin für Kooperation und Traditionelle Angelegenheiten und Sprecherin des National Coronavirus Command Council (NCC). Wenige Tage, nachdem Präsident Ramaphosa bekanntgab, ab dem 1. Mai den von vielen Südafrikanern geforderten Verkauf von Zigaretten wieder erlauben zu wollen, nahm die Ärztin und bekennende Tabakgegnerin diese Ankündigung erneut zurück. Die Kehrtwende in Sache Rauchwaren sei Ergebnis eines Konsultationsprozesses, so die Ministerin. Wer konsultiert wurde ist bis heute nicht klar.


Die Regierung trifft ihre Entscheidungen hinter geschlossenen Türen. Die mangelnde Transparenz verleitet zu Kritik auf ganzer Linie.


Die Sitzungsprotokolle des NCC gelten als Verschlusssache. Die Daten und Ausbreitungsmodelle, auf die das Council seine Entscheidungen stützt, werden nur zögerlich und in Auszügen veröffentlicht – angeblich um Panik zu vermeiden. Damit ist auch nicht nachvollziehbar, wieso seit 1. Mai der Aufenthalt im Freien zwar wieder erlaubt ist, aber nur zwischen 6 und 9 Uhr morgens. Unbegründet auch die Vorgabe, dass geschlossenen Schuhe verkauft werden dürfen, offene aber nicht, und kurzärmelige T-Shirts nur dann, wenn sie als wärmende Unterkleidung deklariert und getragen werden. „Drakonisch“, „kommunistisch“, „bizarr“ lauten die Kommentare in Medien und sozialen Netzwerken – und das sind noch die freundlichen. Immer harscher wird der Ton, mit dem Kritiker das Vorgehen der Regierung als undemokratisch und willkürlich verurteilen.


Mittlerweile haben sich auch Wissenschaftler und Ärzte der öffentlichen Kritik angeschlossen. Eigenen Aussagen zufolge seien die Experten bei den Entscheidungsprozessen der Regierung ins Abseits gedrängt worden. Vorgaben würden nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen, sondern sie seien „uninformiert und unsinnig“. Gesundheitsminister Dr Zweli Mkhize wies die Vorwürfe der Wissenschaftler als „unfair“ zurück und verteidigte sowohl den Lockdown und seine Einschränkungen als auch die Kommunikationsstrategie der Regierung. Laut Mkhize hält die Regierung Informationen nicht bewusst zurück. Die Öffentlichkeit solle dem Staat jedoch erst einmal Raum zum Handeln zugestehen. Danach würden die Politiker auf die Menschen zukommen und ihre Fragen beantworten.


Kommunikation ist in der Krise kein „Nice-to-Have“, sondern eine Voraussetzung dafür, die Herausforderungen zu bewältigen.


Die Aussagen des Gesundheitsministers zeigen das Ausmaß, in dem die südafrikanische Regierung die Relevanz von Kommunikation während der Krise unterschätzt. Entschlossen zu handeln und die Bevölkerung in dieses Handeln einzubinden und zu informieren ist keine Frage des Entweder-oder. Eine Regierung, die die Kommunikation mit den Menschen nachrangig behandelt, schafft damit den Nährboden für Verdächtigungen, Behauptungen, Ungewissheit und Vertrauensverlust. Darüber hinaus konterkariert die Geheimnistuerei der Politik auch noch ihre eigenen Bemühungen die Pandemie einzudämmen: Wissen, Verständnis und Vertrauen beeinflussen nicht nur die Einstellungen zum Lockdown, sondern auch das Verhalten in dieser und den nächsten Phasen der Pandemie.


In einer seiner mittlerweile selteneren Fernsehansprachen betonte der Präsident Mitte Mai, dass die Herausforderungen, vor denen die Regierung derzeit stände, einzigartig und ohne historisches Vorbild seien. Den meisten Menschen leuchtet das ein, und ebenso, dass in so einer Situation Fehler gemacht werden. Was ihnen nicht einleuchtet ist, warum die Regierung ein solches Geheimnis daraus macht, wie sie mit diesen Herausforderungen umzugehen gedenkt. In seiner Rede zum Freedom Day sprach Ramaphosa davon, dass die Corona-Krise für Südafrika auch eine Chance sei, eine neue Gesellschaft aufzubauen. Für viele Südafrikaner klingt das mittlerweile wie eine Drohung.


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Bildnachweis: Eigene Darstellung

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